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Begeisterung und mentale Gesundheit: Warum Begeisterung eine unterschätzte Superkraft für (D)eine Selbstfürsorge ist

Aktualisiert: vor 9 Stunden

Ein kleiner Junge rennt begeistert durch eine Dusche aus Licht und Wasser


Zehn Minuten Musik. Zehn Minuten völlige Faszination. Und nach einem langen Tag fühlte sich die Welt plötzlich ein wenig leichter an.


Neulich abends habe ich mich nach einem fordernden Tag für zehn Minuten auf ein Sofa gesetzt, Kopfhörer auf, und ein Album gehört, das mich im Moment sehr fasziniert. Was erstmal wie ein gewöhnlicher Moment begann, wurde nach ein paar Minuten zu einem funkelnden Kurzausflug, der mich so richtig gepackt hat: Sound und Rhythmus haben mich völlig gefesselt, mich in eine andere Welt entführt. Für einen langen Moment war alles andere – To‑dos, Sorgen, diffuse Ängste – wie weggeblasen. Und ich konnte vielleicht zum ersten Mal an diesem Tag unbeschwert durchatmen und mich versorgen lassen mit Lebendigkeit und diesem beinahe magischen Glitzer, der das Leben so kostbar und besonders macht. Mein Kopf und innerer Mensch wurden einmal durchgepustet und mit frischer Energie versorgt. Und das blieb auch so, nachdem ich die Kopfhörer abgesetzt hatte.


Solche Momente sind mehr als nur angenehm – sie sind Balsam für unsere mentale Gesundheit. Begeisterung kann wie eine kleine innere Erfrischung wirken - ein Reset mitten im Alltag, der uns zurück ins Hier & Jetzt bringt und die Leichtigkeit freisetzt, die wir manchmal so dringend brauchen. Begeisterung ist ein echtes Geschenk und eine innere Ausrichtung - wir können sie aktiv suchen, einladen und auch ein kleines Stück weit kultivieren.



Was Begeisterung eigentlich ist – und warum sie unserer Psyche so guttut

 

Eine junge Frau und ihre Begeisterung beim Musikhören

            

Begeisterung ist dieses prickelnde Gefühl, das uns packt, wenn wir voll und ganz in etwas eintauchen, das nah an unserem Herzen ist und uns viel bedeutet. Wenn der Spaß plötzlich überall ist, wir mit Freude aktiv sind, und alles sehr aufmerksam wahrnehmen. Begeisterung ist mehr als nur Freude – sie ist ein Zustand intensiver Aktivierung, in dem Motivation, Neugier und Sinn miteinander tanzen und ineinander fließen.

Wenn wir begeistert sind, schaltet das Gehirn gewissermaßen auf „Flow‑Modus“. Das Belohnungssystem wird aktiv, Dopamin wird ausgeschüttet, die Aufmerksamkeit fokussiert sich, Lernfähigkeit und Kreativität steigen. Psychologisch betrachtet ist Begeisterung also kein Luxusgefühl, sondern ein großartiger Verstärker für mentales Wohlbefinden – und damit ein wichtiger Bestandteil von Selbstfürsorge.


🔍 Für besonders Interessierte:

  • Aust, B., Beneke, T., Peifer, C., & Wekenborg, M. (2022). The Relationship between Flow Experience and Burnout Symptoms: A Systematic Review. IJERPH, 19(7), 3865. DOI: 10.3390/ijerph19073865

  • Vogelaar, F. (2024). The appraisal patterns and response types of enthusiasm. Cognition and Emotion, 38(3), 502–518. DOI: 10.1080/02699931.2024.2430399


Erlaubnis zur Begeisterung – für alle Altersklassen


Eine ältere Frau spielt begeistert und hingebungsvoll ihren E-Bass

Als Erwachsene haben wir manchmal das Gefühl, Begeisterung, die keinen „produktiven Nutzen“ hat, sei etwas für Kinder. Der „Ernst des Lebens“ und das Ideal ständiger Produktivität lassen spontane Begeisterung schnell albern oder überflüssig wirken. Und das ist schade – denn eigentlich kennt Begeisterung kein Alter. Sie bringt uns in vollen Kontakt mit unserer Lebendigkeit, mit Neugier und der Fähigkeit zu staunen.

Ob Du Dich für Star Wars, Riesenschach, Deinen alten VW‑Bus, Hieroglyphen oder Hobby-Horsing begeisterst – das Entscheidende ist, dass es Dich erfüllt, Dir Energie schenkt und Dich für eine Weile alles andere vergessen lässt.


🪄 Probier es aus: Überlege Dir heute eine kleine „nerdy“ Sache, die Dich interessiert – und gönn Dir bewusst (mindestens) zehn Minuten, um Dich anstecken und begeistern zu lassen. Der innere Kritiker darf solange gern draußen vor der Tür warten.



Berieselung vs. Begeisterung – Unterschiede in Energie, Wirksamkeit und Genuss


Eine Person in gemütlicher Position hält eine Fernbedienung ins Bild

Wir können müde aufs Sofa kippen, Musik hören, ein Buch lesen oder eine Serie schauen – all das kann einfach nur Berieselung sein oder (nach einer Weile) echte Begeisterung auslösen. Der Unterschied liegt darin, wie aktiv wir beteiligt sind: Bei der Berieselung nehmen wir eher passiv wahr, unser Gehirn ist im Energiesparmodus, wir lassen uns treiben. Begeisterung hingegen bedeutet aktives, fokussiertes Teilnehmen & Eintauchen – wir sind aufmerksam, energiegeladen und spüren Genuss oder Faszination.


Berieselung:

  • Passiv, das Erlebnis läuft „nebenbei“

  • (Sehr) niedriges Energielevel reicht aus

  • Kurzfristige Entspannung, Ablenkung, kurzzeitiger Abstand vom Alltag

  • Kein nachhaltiger Effekt auf Aufmerksamkeit, Motivation oder mentale Gesundheit


Begeisterung:

  • Aktiv, wir lassen uns mitreißen, beobachten, reflektieren

  • Mittleres bis hohes Energielevel nötig

  • Aufmerksamkeit, Flow, nachhaltige mentale Erholung

  • Stärkt Selbstwirksamkeit und erzeugt Freude


Indem wir uns dieser Unterschiede bewusst werden, können wir gezielt Momente gestalten, die das Potenzial haben, echte Begeisterung auszulösen.


Alles hat seine Zeit: Berieselung ist völlig in Ordnung – sie hat ihre Berechtigung, besonders wenn wir sehr erschöpft sind. Manchmal startet ein Moment auch als Berieselung und entwickelt sich dann spontan zu Begeisterung: Ein Song packt uns plötzlich, ein Film überrascht uns, ein Puzzle zieht uns hinein. Auch diese Übergänge zeigen, dass unser Gehirn flexibel ist. Wichtig ist: Wer regelmäßig Begeisterung erlebt, tankt Energie, Motivation und Lebensfreude – und das lässt sich bewusst anstreben, auch im Alltag.


🪄 Probier es aus: Achte heute einmal darauf, wann und wie lange Du Dich passiv berieseln lässt – und beobachte, ob Dich vielleicht ein kleiner Moment plötzlich packt und Begeisterung auslöst.


🔍 Für besonders Interessierte:

  • Csikszentmihalyi, M. (1990). Flow: The Psychology of Optimal Experience. Harper & Row.

  • Fredrickson, B. L. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and-build theory of positive emotions. American Psychologist, 56(3), 218–226. DOI: 10.1037/0003-066X.56.3.218



Begeisterung als Erholungsraum


Begeisterung als Erholungsraum - eine Person sitzt warm und geborgen in einem großen Sessel

Wenn Begeisterung regelmäßig anvisiert und erlebt wird, kann ein ganz besonderer Erholungsraum entstehen – ein aktiver Rückzugsort voller Energie und Klarheit. Anders als klassische Entspannung – z. B. Schlaf oder Meditation – ist dieser Raum aktiv und energiegeladen. Wenn wir uns völlig in etwas vertiefen, Sorgen loslassen und gleichzeitig das Gefühl haben, aktiv zu sein und selbst zu steuern, was vor sich geht, entsteht ein Zustand von tiefer Klarheit und purer Freude.

Es ist wie gesagt, erstmal egal, ob Du Musik hörst, puzzlest, kreative Projekte umsetzt, einer Sammelleidenschaft nachgehst oder Informationen sammelst über ein Thema, das Dir gut tut und Dich sehr interessiert. Entscheidend ist auch nicht, ob es „nützlich“ oder gesellschaftlich anerkannt ist – es zählt nur, dass uns diese Beschäftigung erfüllt, uns ganz in sich aufnimmt und uns für kurze Zeit aus dem Alltag entrückt.


Mir ist bewusst, dass unsere Welt momentan an vielen Stellen unglaublich herausfordernd und anstrengend ist. Und vielleicht kommen Dir manchmal Gedanken wie: „Darf ich mich wirklich so sorglos für etwas Nutzloses begeistern, während an anderer Stelle Menschen leiden?“ Genau hier liegt ein sehr wichtiger Punkt: Um für Gerechtigkeit, Klima oder andere wichtige Themen wirksam sein zu können, brauchen wir unsere volle Kraft und Präsenz. Begeisterung ist eine der besten Möglichkeiten, unseren inneren Tank immer wieder nachhaltig aufzufüllen und uns mental stark zu machen, um dann mit voller Power im Leben stehen und wirken zu können.


🪄 Probier es aus: Nimm Dir heute (mindestens) 15–20 Minuten für eine wohltuende Aktivität, die Dich voll einnimmt, ohne dass ein Ergebnis erwartet wird – und spüre, wie sich Kopf & Herz freier anfühlen.


🔍 Für besonders Interessierte:

  • Zito, R., Morand, A., & Huber, S. (2022). Passion and Flow at Work for the Reduction of Exhaustion. Sage Open, 12(2). DOI: 10.1177/21582440221095009

  • Vogelaar, F., et al. (2025). The internal structure of enthusiasm: a prototype analysis. Motivation and Emotion. DOI: 10.1007/s11031-025-10111-7



Begeisterung als Schutzschild gegen mentale Erschöpfung


Eine bunte Sammlung von Comicheften

In einer Welt voller Reizüberflutung und Dauerstress ist mentale Erschöpfung fast schon Normalzustand. Begeisterung kann hier Dein Gegengewicht sein: Sie holt Dich zurück ins Hier & Jetzt, bringt Dein System in Bewegung und hilft, Stress loszulassen.

Menschen, die regelmäßig Flow‑Momente erleben, zeigen laut Studien deutlich geringere Burnout‑Werte und empfinden ihren Alltag als sinnerfüllter.


Ein kurzes Wort zum Thema Arbeit - ja, ich weiß, dass wir auch dort (wenn es gut läuft) Momente von Flow und Begeisterung erleben können. Und das ist großartig. Um einen echten Ausgleich zu schaffen und aufzutanken, ist jedoch prima, wenn Du auch in Deiner Freizeit etwas hast (oder findest), für das Du Dich begeistern kannst. Das dürfen ganz kleine Dinge sein, die anderen Menschen vielleicht gar nichts bedeuten. Begeisterung ist etwas sehr persönliches. Das wichtigste ist, dass es wirklich nah an Deinem Herzen ist und das Potential hat, Dich so richtig mitzureißen bzw. abtauchen zu lassen.


🔍 Für besonders Interessierte:

  • Aust, B., Beneke, T., Peifer, C., & Wekenborg, M. (2022). The Relationship between Flow Experience and Burnout Symptoms: A Systematic Review. IJERPH, 19(7), 3865. DOI: 10.3390/ijerph19073865

  • Leger, K., & Shiota, M. N. (2019). Positive Emotions Experienced on Days of Stress are Associated with Better Long-Term Physical Health. Frontiers in Psychology, 10, 1875. DOI: 10.3389/fpsyg.2019.01875

  • Hohnemann, T., König, J., & Wolf, O. T. (2024). Trajectories of mindfulness, flow experience, and stress during an MBSR programme. Frontiers in Psychology, 15, 1385372. DOI: 10.3389/fpsyg.2024.1385372



Begeisterung, Selbststeuerung und Selbstfürsorge


Ein Mann repariert sein Auto

Begeisterung ist aktiv und selbst gesteuert: Wir bestimmen selbst, wie tief wir eintauchen, wie lange wir bleiben, welche Schritte wir gehen. Dieses Gefühl von Kontrolle und Selbstwirksamkeit ist ein zentraler Bestandteil dessen, was sie so wohltuend macht. Begeisterung ist Selbstfürsorge in Aktion – sie lässt uns spüren, dass wir lebendig sind, fähig zu aktiv unser Leben zu gestalten und nicht nur zu reagieren.

Auf meiner sehr begeisterten Suche nach diesem einen Schlagzeugsound (mehr dazu hier) habe ich in einer ansonsten recht wilden und unsicheren Phase meines Lebens erfahren, wie ich mitten in meiner eigenen Begeisterung eine wohltuende Kontrolle und Flow erleben kann. Die Entscheidung, welche Musikstücke ich höre oder welche Details ich auf welche Weise erkunde, lag ganz allein bei mir – und all das fühlte sich gleichzeitig leicht, empowernd und erfüllend an.


🪄 Probier es aus: Such etwas aus, das Dich interessiert und nimm einmal bewusst wahr (währenddessen oder hinterher), wie Du es angehst – welche Schritte Du machst, wie tief Du eintauchst, wie lange Du verweilst und wie sich das anfühlt.


🔍 Für besonders Interessierte:

Scherer, K. R. (2005). What are emotions? And how can they be measured? Social Science Information, 44(4), 695–729. DOI: 10.1177/0539018405058216

Vogelaar, F., Wicherts, J. M., & Kuppens, P. (2025). The Internal Structure of Enthusiasm: A Prototype Analysis. Motivation and Emotion. DOI: 10.1007/s11031-025-10109-y



Staunen – die stille Schwester der Begeisterung


Ein Mann steht voller Staunen in einem Meer aus Lichtern

Neben der Begeisterung gibt es noch ein weiteres Gefühl, das unser mentales Wohlbefinden enorm stärken kann: das Staunen.

Staunen ist ein Moment, der sich fast ein wenig heilig anfühlen kann. Ein Augenblick, in dem uns etwas so beeindruckt, dass wir kurz alles andere um uns herum vergessen. Ein Sonnenuntergang, ein Musikstück, ein Detail im Alltag – diese kleinen Augenblicke des Staunens schaffen Weite im Kopf und im Herzen. Staunen reduziert tatsächlich Stress, steigert unser Wohlbefinden und öffnet das Bewusstsein dafür, dass es neben dem vielen Alltagskleinklein ein großen Ganzes gibt, das absolut atemberaubend sein kann.


🪄 Probier es aus: Ich gehe fast jeden Abend direkt vor dem Schlafengehen noch einmal für einen bewussten auf den Balkon und schaue in den Nachthimmel. Suche nach Sternen, atme bewusst tief durch und verbinde mich mit dem Großen, das immer auch existiert. Und so oft gerate ich dann ins Staunen. Über den Sternenhimmel, mächtige Wolkenberge oder auch den magischen Nebel, der im Moment oft aufsteigt. Ich und meine Probleme schrumpfen dann oft wieder auf ein eher handliches Maß zusammen und ich kann im Anschluss häufig besser schlafen.


🔍 Für besonders Interessierte:



Balance: Damit Begeisterung nicht kippt


Ein Mann in einem bunten Pullover hält einen gespannten Bogen

Zu viel des Guten kann umschlagen – wenn Begeisterung in (Leistungs-)Druck oder Rastlosigkeit mündet. Warnsignale sind etwa Schlafstörungen durch Übermotivation oder das Gefühl, nie genug zu tun. Dann hilft es, innezuhalten: Begeisterung braucht unbedingt auch Pausen, Erdung und Selbstmitgefühl. Sie bedeutet nicht, ständig „on fire“ zu sein – sondern bewusst zu wählen, wann und wofür Du brennst.



Fazit – Begeisterung als Haltung in der Selbstfürsorge


Begeisterung ist kein Zufall, sondern eine Haltung. Eine bewusste Entscheidung, das Leben aktiv, mit Absicht und offenen Sinnen zu gestalten. Sie ist wie ein mentaler Muskel, der trainiert werden kann – und eine der wirksamsten Formen der Selbstfürsorge für Deine mentale Gesundheit.

Wenn Du lernst, Deine Begeisterung regelmäßig aufzusuchen und ihr Raum zu geben, öffnest Du die Tür zu mehr Lebensfreude, Klarheit und innerer Stabilität.

Also – wofür begeisterst Du Dich heute? 💖





Bildnachweis:

Bild 1: Foto von MI PHAM auf Unsplash

Bild 3: KI-generiertes Bild, erstellt mit Sora nach einer Bildidee von mir

Bild Sessel: Foto von Katja Anokhina auf Unsplash

Bild purple lights: Foto von Axville auf Unsplash

Bild Bogenschießen: Foto von Mustafa Alkan: https://www.pexels.com/de-de/foto/34610757/



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